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Stand: 25. Juni 2008

Auswirkungen von Feldhamsterverdachtsflächen auf die Raumplanung
Fahrrad-Exkursionsbericht der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover
von
Dr. Frank Schröter

 

Die Exkursion fand im Rahmen der Treffen der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover statt. In der wärmeren Jahreszeit wird das Regionalgruppentreffen durch eine Exkursion (mit Führung) zu einem planerischen Thema eingeleitet.

 

 

Am Samstag, dem 27. Mai 2000 trafen sich neun Mitglieder der IfR-Regionalgruppe Braunschweig / Hannover zu einer Radtour durch den Süd-Westen von Braunschweig. Die Tour war von Ruth Dirks sehr gut vorbereitet und ausgearbeitet worden (vgl. Abb. 1). Obwohl das Wetter zu Beginn sehr wechselhaft war und auch die Regenkombi aus dem Rucksack geholt werden musste, war es auch dieses Jahr wieder eine sehr schöne Tour.
  Abb. 1 Stationen der Radtour durch den Süd-Westen von Braunschweig

 

Treffpunkt war der Platz vor dem Hauptbahnhof in Braunschweig (vgl. Abb. 2). Nachdem auch die Klappfahrräder montiert waren, konnte es losgehen (vgl. Abb. 3).


Abb. 2 Treffpunkt vor dem Hauptbahnhof Abb. 3 Platzsparendes Klapprad (im Vordergrund)

 

Direkt am Bahnhof bot sich zufälligerweise der erste Besichtigungspunkt an, das neue Nahverkehrsterminal. Nach gut einem Jahr Bauzeit haben die Reisenden jetzt die Möglichkeit trockenen Fußes vom Bahnhof zu den Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs zu gelangen. Gleichzeitig wurde die Gelegenheit genutzt, die Haltestellen, die weiträumig in Bahnhofsnähe verstreut lagen, an einem Punkt zu konzentrieren. Insgesamt eine Lösung, die auch architektonisch überzeugt und als städtebauliche Bereicherung des Bahnhofsvorplatzes angesehen werden kann (vgl. Abb. 4 und auch Bahnhof: Busse und Bahnen halten unter einem Dach)
  Abb. 4 Nahverkehrsterminal vor dem Hauptbahnhof

Der erste "offizielle" Besichtigungspunkt war die Leutnant Müller Kaserne. Hier konnte die IfR-Regionalgruppe ein gelungenes Beispiel für die Umnutzung einer Konversionsfläche besichtigen. Neben Weiterbildungseinrichtungen, Klinikum, Feuerwehr und Aussiedlerwohnheim wurden die ehemaligen Bundeswehrgebäude um einige Geschosswohnungsbauten ergänzt. Zwar waren noch nicht alle geplanten Maßnahmen umgesetzt, doch war bereits erkennbar, dass hier ein gutes Beispiel für Brachflächenrecycling entsteht.

Kontrastreich ging es weiter. Von der Konversionsfläche zum Naherholungsgebiet Heidbergpark.

Hier nutzte die Stadt Braunschweig die Chance, geplanten Kiesabbau und die Renaturierung eines abgeschlossenen Kiesabbaus miteinander zu kombinieren und so ein attraktives Naherholungsgebiet (mit Badesee) zu gestalten (vgl. Abb. 5). Aus raumplanerischer Sicht wären zwar noch einige Verbesserungen denkbar, wie z.B. die Möglichkeit durchgängig am See spazieren gehen zu können, jedoch wurde auch ohne diesen Aspekt bereits viel erreicht.

Hier wird ein vorhandener Grünzug aufgewertet und innenstadtnah als Freizeitfläche für die ganze Familie zur Verfügung gestellt (vgl. auch Seichte Buchten, sonnige Liegewiesen). Außerdem konnten wir uns davon überzeugen, dass sich auch die Tierwelt über diesen See freut (vgl. Abb. 6)

Abb. 5 Naherholungsgebiet Heidbergpark Abb. 6 Enten auf dem Heidbergsee

Weitere Besichtigungspunkte waren dann neu realisierte bzw. noch in der Planung befindliche Wohngebiete in den Stadtteilen Mascherode, Stöckheim, Gartenstadt und Broitzem (vgl. Abb. 7). Besonders interessant waren hierbei natürlich immer die Vergleiche zwischen Bebauungsplan und bereits realisierten Bauabschnitten (vgl. Abb. 8).

Abb. 7 Baugebiet "Osterbeek" in Broitzem Abb. 8 Planstudium in freier Natur

Am Wohngebiet "Schmiedeweg" in Mascherode verdeutlichte Ruth Dirks, welche Auswirkungen die Einstufung als "Feldhamsterverdachtsfläche" auf die Ausgestaltung eines neuen Baugebietes hat. Auch wurde deutlich, wie wichtig die langfristige Beachtung städtebaulicher Entwicklungsmöglichkeiten ist. Am Beispiel eines eigentlich "fertigen" Ortsrandes in Mascherode, der jetzt (aufgrund der Notwendigkeit vermehrt Bauflächen für Einfamilienhäuser ausweisen zu müssen) doch noch erweitert werden soll, zeigten sich die Probleme, die sich durch die Erschließung des neuen Baugebietes ergeben können.

In Stöckheim konnten wir dann ein gelungenes Beispiel für ein neues Baugebiet besichtigen. Charakteristische Merkmale des Baugebietes "Im Meer" sind auf der einen Seite eine relativ hohe bauliche Dichte (GFZ=0,58) und auf der anderen Seite viel Grün, sowie private und öffentliche Freiflächen. Außerdem bestehen fußläufige Verbindungen zu Einkaufsmöglichkeiten und Spielplätzen für Kleinkinder, Kinder und Jugendliche. Leider fehlt zur Zeit noch der Anschluss an die Stadtbahn. Ein Neubaugebiet, dass sich wohltuend vom Einerlei vieler neuer Baugebiete abhebt. Sicher auch ein Grund dafür, dass dieses Wohngebiet als Beispiel für dezentrale Konzentration in der Broschüre "Nachhaltigkeit im Städtebau" des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales aufgenommen wurde.

Zwischen den einzelnen Punkten der Radtour wurden immer wieder kurze interessante Stops eingelegt. So z.B. um sich Ausdrucksformen der Bürgerbeteiligung anzusehen. Hier erinnert ein Protestschild betroffener Bauern gegen die (früher einmal) geplante Ausweisung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (vgl. Abb. 9), an die leider vergeblichen Versuche der Stadt Braunschweig das "neue" Instrumentarium des BauGB zu nutzen.
  Abb. 9 Zwischenstop

In direkter Nachbarschaft zum Stöckheimer Baugebiet "Im Meer" liegt das geplante Sondergebiet Bio-Technologie. Hier wurde der Unterschied zwischen dem Gewicht öffentlicher und privater Belange deutlich. Im öffentlichen Interesse liegt die Einrichtung des Sondergebietes Bio-Technologie und die langfristige Ergänzung dieses Gebietes um weitere Wohnbauflächen. Die Erschließung dieses Bereiches wäre durch ein Gewerbegebiet möglich, ohne andere Wohnbaugebiete zu belasten. Von der hierzu benötigten Fläche ist jedoch ein Teil im Privatbesitz. Freihändiger Erwerb war auch nach langen Verhandlungen nicht möglich. Die Einleitung eines Enteignungsverfahrens wird jedoch aus politischen Gründen nicht erwogen. In der Konsequenz bedeutet dies, für das Sondergebiet Bio-Technologie zunächst einen benachbarten Sportplatz zu verkleinern und für due endgültige erschließung sogar die Verlegung dieses Sportplatzes an den äußersten Rand des vorhandenen Ortsteils. Zur Abwägung stehen also wirtschaftliche Interessen der Stadt und die gute Erreichbarkeit des Sportplatzes gegen das Interesse des Privateigentümers am Erhalt (eines Teils) seines Grundstückes.

Nächste Station war dann das (geplante) ökologische Baugebiet "Am Zoo" in Braunschweig. Das Wahrzeichen dieses Gebietes, die Energie-Pyramide, wurde bereits fertiggestellt (vgl. Abb. 10).

Insgesamt ist die Realisierung dieses Baugebietes nach langem Planungszeitraum jedoch gescheitert. Die Ursachen hierfür sind vielfältiger Natur und reichen von der langen Bearbeitungs- und damit Finanzierungszeit, über die (vielleicht zu hochgesteckten) Ziele der privaten Planer, bis zu der fehlenden Akzeptanz in der Bevölkerung. Hinzu kamen Schwierigkeiten mit den naturschutzrechtlich vorgeschriebenen Ausgleichsflächen.

  Abb. 10 Energiepyramide im ökologischen Baugebiet

Diese Schwierigkeiten betrafen zum einen die Realisierung der vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen und zum anderen die Rechtskraft des Bebauungsplanes. Hier wurde der Bebauungsplan für nichtig erklärt, da die Flurstücksnummern der Grundstücke, die für Ausgleichsflächen vorgesehen waren, im Bebauungsplan nicht genannt wurden. Durch die Aufnahme der Fläche in den Bebauungsplan als zweiten Geltungsbereich ließ sich dieser Mangel jedoch schnell beheben. Nach der Aufgabe der ökologischen Aspekte wird hier ein konventionelles Baugebiet entstehen, über das die Braunschweiger-Zeitung bereits mit der Schlagzeile "Mit dem Kasten Bier direkt bis vor die Haustür" informiert hat.

Die nächste Station unserer Radtour lag mitten in einem Autobahnkreuz. Hier hat sich eine Kleingartenanlage seit der Nachkriegszeit zu einer Wohnanlage entwickelt. Nach langem Kampf ist es den Bewohnern jetzt gelungen, einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan zu erreichen. Bei der Planerarbeitung zeigen sich jedoch vielfältige Probleme. Unzulängliche äußere und innere Erschließung des Gebietes und Lärmschutz lagen auf der Hand. Hinzu gekommen sind geringe Grundstücksgrößen, die durch notwendige Landabgaben für Erschließung und Lärmschutz noch geringer werden. Hier bleibt zu beobachten, ob der Wunsch der Bewohner, rechtliche Absicherung der Wohnsituation durch die Festsetzung als Wohngebiet, am Ende zu einem sozialverträglichen Nutzungskonzept und Bebauungsplan führt.

In der Gartenstadt konnten wir dann ein schönes Beispiel für die Notwendigkeit eines Gestaltungssatzung besichtigen. In der Nachbarschaft zu einigen Geschoßwohnungsbauten (vgl. Abb. 11) und Reihenhausbau (mit Gestaltungssatzung) liegt ein Gebiet für freistehende Einfamilienhäuser. Hier lässt sich an den einzelnen Häusern die vielgepriesene individuelle Gestaltungsmöglichkeit von freistehenden Einfamilienhäusern ohne "einschränkende" Gestaltungssatzung ablesen.
  Abb. 11 Nachbarschaft von Geschoßwohnungsbau und Einfamilienhausbebauung

Den vorletzten Punkt der Tour bildete das geplante Freilufttheater Millenium. Dieses interessante Konzept konnte allerdings, aufgrund der Größe (5.000 Besucher) sowie des abgelegenen Standortes und der damit verbundenen Verkehrs- und Lärmproblematik, bisher planungsrechtlich noch nicht abgesichert werden.

Den Abschluß unserer Tour bildete dann die Besichtigung der örtlichen Gastronomie (vgl. Abb. 12). Da sich das Wetter mittlerweile gebessert hatte und sogar die Sonne schien, konnten wir uns das wohlverdiente Bier im Freien schmecken lassen (vgl. Abb. 13).

Abb. 12 Besichtigung der örtlichen Gastronomie Abb. 13 Abschluß der Radtour

 

Frank Schröter
IfR-Regionalgruppe
Braunschweig/Hannover

 

Interessante Links:

 

e-mail   f.schroeter@tu-bs.de