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Stand: 25. Juni 2008

Wohnen in Wolfsburg
Fahrrad-Exkursionsbericht der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover
von
Dr. Frank Schröter

 

Die Exkursion fand im Rahmen der Treffen der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover statt. In der wärmeren Jahreszeit wird das Regionalgruppentreffen durch eine Exkursion (mit Führung) zu einem planerischen Thema eingeleitet.

 

Am Samstag, dem 21. Juni 2003 trafen sich die Mitglieder der IfR-Regionalgruppe Braunschweig / Hannover zu ihrer nun schon traditionellen jährlichen Radtour (Fahrradtour). Zusammen mit Freunden, Lebensgefährtinnen und Kindern führte die Tour durch Wolfsburg (vgl. Abb. 1). Thema war "Wohngebiete in Wolfsburg". Die Tour war von Jürgen Claßen sehr gut vorbereitet und ausgearbeitet worden (vgl. Abb. 2 und Foto 1 von U. Fey) und um das Ergebnis vorwegzunehmen, es war auch dieses Jahr wieder eine sehr schöne Tour.

Abb. 1 Start am Hauptbahnhof Wolfsburg Abb. 2 Jürgen Claßen erläutert das Bebauungskonzept eines Wohngebiets

Zunächst fuhren wir auf den Klieversberg, von dem wir einen guten Überblick über die Stadt Wolfsburg hatten (vgl. Abb. 3 und Abb. 4).

Abb. 3 Blick vom Klieversberg Abb. 4 Stadtsilhouette von Wolfsburg

In Wolfsburg ist die Wohnungsbaupolitik sehr von der Entwicklung des VW-Werkes abhängig. Neue Produkte und damit neue Arbeitsplätze bedeuten immer auch eine kurzfristig auftretende Nachfrage nach Wohnraum. Teilweise mussten große Wohnungsmengen innerhalb weniger Monate zur Verfügung gestellt werden.

Die beiden Wolfsburger Wohnungsbaugesellschaften haben derzeit keine Leerstände, dies ist im wesentlichen dadurch bedingt, dass viele Wochenend-Pendler die kleinen Wohnungen als Zweitwohnung nutzen. Aufgrund der schlechten Bausubstanz und der nicht zeitgerechten Wohnungsgrundrisse sind hier jedoch in naher Zukunft Veränderungen zu erwarten.

Wolfsburg hat derzeit ca. 123.000 Einwohner, verfügt jedoch über eine Infrastruktur für 135.000 Einwohner. Das derzeitige Ziel der Wolfsburger Wohnungspolitik liegt u.a. auch deshalb darin, möglichst viele der täglichen 50.000 Einpendler zum Wohnortwechsel zu veranlassen. Darüber hinaus sollen die Abwanderungen bauwilliger Familien ins Umland möglichst gestoppt werden.

Vom Baudezernat wurde ein Pflichtenheft erarbeitet, dass den Standard für Wolfsburger Baugebiete festlegt. Bestandteile des Pflichtenhefts sind u.a. Vorgaben für den Erschließungsstandard und Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Gestaltungsvorschriften werden i.d.R. nicht gemacht. Der Bauherr soll nach seinen eigenen Vorstellungen bauen dürfen. Ein Beispiel für die "Ergebnisse" zeigt Abb. 5 (und Foto 2 von U. Fey). Hier ist kritisch anzumerken, das man die gewünschte Einwohnerzahl auf Kosten des Verlustes der Baukultur erkauft.

Abb. 5 Bauen ohne gestalterische Vorgaben

Der Arbeitsbereich von J. Claßen verfügte im Rahmen eines haushaltstechnisch gesonderten revolvierenden Grundstücksfonds im Jahr 2002 über 14,5 Millionen Euro, für 2003 werden Einnahmen mit 21,7 Millionen Euro erwartet (vgl. auch Wohnbauprogramm Wolfsburg)

Neben dem Wohnbauprogramm hat die Stadt Wolfsburg auch eine Baulücken-Programm zur Innenstadtentwicklung. Von den untersuchten 25 bis 30 Flächen, die überwiegend an bzw. in Grünflächenrändern liegen, werden in einem ersten Schritt 3 Baugebiete realisiert. Hierzu wird ein Investorauswahlverfahren ausgeschrieben.

In Fallersleben erläuterte uns ein Mitarbeiter des Referats für strategische Planung und Stadtentwicklung die langfristige Planung in der Stadt Wolfsburg. Das Vorhaben, ein umfassendes Stadtentwicklungskonzept zu erstellen, wurde auf ein Stadtstrukturkonzept reduziert. Das Stadtstrukturkonzept umfasst die Bereiche Wohnen, soziale Infrastruktur und wohnungsnahes Grün. Nach einer umfassenden Bestandanalyse wurden Empfehlungen für die zukünftige Entwicklung erarbeitet, so z.B. zur Anpassung der Infrastruktur (Schulschließungen) an die voraussichtliche Einwohnerentwicklung. Wenn bis zum Jahr 2015 alle möglichen Baugebiete realisiert werden, könnte Wolfsburg eine Einwohnerzahl von 127.000 erreichen.

Das vor ca. 5 Jahren realisierte Baugebiet von VW-Immobilien (vgl. Abb. 6) war an den Ansprüchen höherer Einkommensgruppen orientiert. Ein Doppelhaus kostete z.B. zwischen 450.000 und 470.000 DM (230.000 – 240.000 Euro).

Abb. 6 Baugebiet in Wolfsburg

Die beiden Orte Ehmen und Mörse sind in den letzten Jahren immer stärker zusammengewachsen. Für die letzten freien Bereiche zwischen den Orten wurde daher ein städtebauliches Gesamtkonzept erstellt. Das Neubaugebiet zwischen Ehmen und Mörse ist für 700 bis 800 Bauplätze vorgesehen. Die Realisierung des Gebietes erweist sich jedoch als schwierig, da u.a. größere Bereich Biotope nach § 28a Nds.NatSchG darstellen. Im Zusammenhang mit dem Neubaugebiet ist eine Umgehungsstraße geplant. In der nördlichen Randlage von Mörse liegt ein VW-Zulieferbetrieb, der durch das Neubaugebiet jetzt vollständig von Wohnbebauung umschlossen ist. Hier soll eine direkte Anbindung des Betriebs an die geplante Umgehungsstraße den Ortskern vom Verkehr entlasten.

Unterwegs hielten wir immer wieder an (vgl. Abb. 7), um uns Baugebiete anzuschauen (vgl. Abb. 8) und uns von Jürgen Claßen Detailinformationen geben zu lassen.

Abb. 7 Zwischenstop Abb. 8 Baugebiet in Wolfsburg

Während der Tour konnten wir vielfältige Denkanstöße und Anregungen mitnehmen, die z.T. bis ins Detail vermessen wurden (vgl. Abb. 9). So auch eine sparsame Straßenausführung, mit einseitigem Fuß- und Radweg. Allerdings wird hier durch den beidseitigen Lärmschutz jeder Kontakt zur umgebenden Bebauung unterbunden (vgl. Abb. 10).

Abb. 9 Maß nehmen vor Ort Abb. 10 Straße ohne Beziehung zur angrenzenden Bebauung

Wohnbauprogramm Wolfsburg

Die für eine Wohnbebauung in Rede stehenden Flächen werden von der Stadt zu Ankaufspreisen erworben, deren Höhe anhand der späteren Verkaufspreise der Grundstücke und der voraussichtlichen baugebietsbezogenen Erschließungs-, Planungs- und Finanzierungskosten ermittelt wird. Orientierungswert für die Endpreise sind die jeweiligen Preise der Bodenrichtwertkarte. Die Grundstückseigentümer akzeptieren dieses Vorgehen, weil es auch für sie eine Reihe von Vorteilen bietet:

Der Geschäftsbereich Grundstücks- und Gebäudemanagement hat im Jahr 2002 ca. 700 Grundstücke verkauft und verfügt daher über eine große Marktkenntnis und kann die Marktfähigkeit der Konzepte einschätzen. Gleichzeitig bietet die Abwicklung über die Stadt Wolfsburg eine gute Kundenorientierung. Aspekte dieser Kundenorientierung sind beispielsweise:

Am Beispiel eines aktuellen Baugebietes für Einfamilienhäuser in einem innenstadtnahen Ortsteil wird dargestellt, dass von den Endkosten der Grundstücke, die hier bei etwa 100,- Euro/m² liegen werden, ca. 50 % auf die Erschließungskosten entfallen, 38,5 % auf den Grundstückserwerb und die Kapitalkosten und die restlichen 11,5 % auf die Planungskosten.

Das Baugebiet in Hattdorf war für 30-40 Bauplätze geplant und sollte durch die alte Ortslage erschlossen werden. Durch Intervention der Politik musste die Erschließung jedoch über eine neu zu bauende Straße erfolgen, die an eine bestehende Umgehungsstraße angeschlossen werden sollte (vgl. Abb. 11). Hierdurch musste, um die Wirtschaftlichkeit des Baugebietes zu gewährleisten, das Baugebiet vergrößert und die Anzahl der Bauplätze auf 60 erhöht werden.

Abb. 11 Anschluß an die Umgehungsstraße

In der Nachbarschaft zu diesem Gebiet plant die Stadt Wolfsburg eine neues Baugebiet mit ca. 60 Bauplätzen zusammen mit den zukünftigen Bewohnern. In Anlehnung an die Planungszelle sollen die 140 Bewerber für die Baugrundstücke nach ihren Wünschen befragt werden. Im Vorfeld informiert die Stadtverwaltung die Bewerber über die Rahmenbedingungen.

Auf Abb. 12 ist eine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme zu sehen. Das im Bebauungsplan festgesetzte Pflanzgebot wird im Vorfeld der Bebauung durch die Stadt realisiert. Die Flächen werden normal als Baugrundstücke verkauft, die Kosten der Maßnahmen werden über die Grundstückspreise auf alle Bewohner der Siedlung umgelegt.

Abb. 12 Ausgleichsmaßnahme

Den Abschluss unserer Tour bildete dann in Wolfsburg wieder die Einkehr in einer Gaststätte, wo wir bei gutem Essen über die vielfältigen fachlichen Eindrücke diskutieren und uns die Apfelschorle (und das wohlverdiente Bier) schmecken lassen konnten (vgl. auch Fotos 3 + 4 von U. Fey).

 

Frank Schröter
IfR-Regionalgruppe
Braunschweig/Hannover

 

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